Mittwoch, 27. November 2013
Mal wieder was Neues
Sziaszok drágaim!

Ich weiß, ich habe euch lange warten lassen, aber ich könnte auch schwören, dass gestern noch Oktober war. Die letzten Wochen sind wirklich wie im Flug vergangen. Ich werde einfach mal ein paar Eindrücke aus den letzten zwei Wochen Revue passieren lassen:

Z.B. der vorletzte Samstag (16.11). Da war in Glivánfa eine große Ausstellung mit fast schon prominenten Gästen und ein Fernsehteam war auch da (Uhiii, ich bin im Fernsehen ;)) Ausgestellt wurde ein Projekt, das einer meiner Chefs (Peter) mit den Familien des Dorfes zusammen seit einigen Jahren betreibt. Er hat die Familienstammbäume recherchiert und einige sehr interessante Tatsachen herausgefunden. Z.B. lebten in dem Dorf vor dem zweiten Weltkrieg jüdische und Zigeunerfamilien zusammen; vereinzelt kam es sogar zu Eheschließungen. Außerdem konnte er die ursprüngliche Siedlung im Wald rekonstruieren und es gibt sogar einige wenige Fotos von diesen traditionellen Lehmbauten (erinnern ein wenig an Iglus). Um nun dieses umfangreiche Wissen an den Mann zu bringen wurde die Kirche des Dorfes kurzfristig umfunktioniert und all die gesammelten Fotos, die Siedlungsrekonstruktion und die die Familienstammbäume der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. (Peter hat versprochen mir die Tage ein paar Fotos zu schicken, die werde ich dann auch hochladen)

Peter selbst ist auch politisch sehr aktiv und kennt dementsprechend viele wichtige Leute aus der Umgebung und so war am Samstag ein interessanter Mix an Menschen in Gilvánfa versammelt. Zum einen die Einwohner samt Verwandten und zum anderen Professoren aus Pécs und Budapest, Politiker, Journalisten und ganz viele Caritasmitarbeiter. Am bezeichnensten für das Aufeinanderprallen dieser zwei Welten war für mich folgende Szene: Für die Kinder war das Kamerateam natürlich die Attraktion schlechthin und mein kleiner Liebling Krisztián (6 Jahre alt) hat die Gunst der Stunde genutzt und wollte ihnen sofort die neuen Hundewelpen bei ihm zuhause zeigen. Daraufhin ist das ganze Team in das recht heruntergekommene Haus gestapft, und hat die Kamera draufgehalten. Ich war selbst in dem Haus, weil Krisztián mir die Hundewelpen ein paar Tage zuvor auch unbedingt zeigen wollte und gebe zu, dass man einfach zweimal hinguckt, wenn man diesen Anblick nicht gewohnt ist. Aber wie das alles einfach ohne seine Eltern zu fragen zu filmen, fand ich doch schon ziemlich voyeuristisch. Ich habe auch Krisztiáns Mutter gesehen, die schnell noch versucht hat, ein paar Sachen wegzuräumen und ein paar Katzen rauszuscheuchen, weil es ihr sichtlich unangenehm war.
Später durfte dann noch der Chor des Dorfes ein paar traditionelle Lieder in der traditionellen Kleidung zum Besten geben; frei nach dem Motto: wenn schon Zigeuner, dann bitte echte Zigeuner.

Das Stammbaumprojekt selbst finde ich aber wirklich sehr interessant und offenbar nicht nur ich. Im Dezember kommt eine kanadische Doktorandin für einige Wochen nach Gilvánfa, extra deswegen.

Die Woche darauf wurde dann ein bisschen von der Nachricht überschattet, dass meine Lieblingskollegin gekündigt hat. Sie hat einen besser bezahlten Job in Pécs gefunden und ist schweren Herzens gegangen. Das hatte zur Folge dass wir die letzten Tage leicht unterbesetzt waren. Ich habe das unter anderem daran gemerkt, dass ich Leute manchmal ganz unbewusst auf Deutsch angesprochen habe, weil ich zu fertig war, um auf Ungarisch umzuschalten. Nichtsdestotrotz waren es aber auch schöne Tage. Zum einen habe ich ein regelmäßiges Schachdate mit einem der Teenager aus der Tánoda. Ich hab den Jungen bisher immer ziemlich aggressiv erlebt und er hat bis jetzt auch kein sonderlich großes Interesse daran gezeigt, sich mit mir und meinem komischen Ungarisch abzumühen. Seit er allerdings entdeckt hat, dass wir ungefähr gleich gut Schach spielen ist er wie ausgewechselt zu mir und kommt jetzt fast jeden Tag, abends wenn der meiste Trubel vorbei ist, um mit mir Schach zu spielen. Außerdem verbringe ich ein bisschen mehr Zeit mit der einen meiner Mitbewohnerinnen und wir haben auch schon erste Kontakte zu echten Magyarmecske-Einwohnern knüpfen können. Alles in allem fühlt es sich langsam ein bisschen mehr nach „angekommen sein“ an.

Diese Woche hatte ich außerdem bereits zwei kleine „Aha"-Momente. Nummer 1: Obwohl Pécs wesentlich südlicher liegt als Bochum, ist es nicht wärmer hier. Nummer 2: Es ist schon bald Nikolaus! Das heißt jetzt werden fleißig Nikolausreime eingeübt und Bilder gemalt und mit meinen Kindergartenkiddies studiere ich sogar „Lasst uns froh und munter sein“ auf Englisch ein…mit dazugehörigem Tanz. Das ist sooooo süß.

Jetzt seid ihr wenigstens wieder halbwegs auf dem Laufenden. Vielleicht sollte ich mir auch ein regelmäßiges Blog-Date einrichten. Damit ihr nicht mehr so lange warten müsst ;)

Ein ganz herzliches
„Lustig, lustig Tralalalala“ für euch alle!
Sarah