Sonntag, 8. September 2013
Von einem Lichtlein und viel Wein
Jó ejt!
Nach fünf Tagen Powerlearning sind meine Mitstreiter hier in Monoszló von einer, mir natürlich völlig unbegreiflichen ;) Trägheit ergriffen worden. Deshalb fühle ich mich gerade wieder einmal bemüßigt, mich meinen treuen Lesern zu widmen.
Es ist zwar viel passiert, aber eigentlich wollte ich euch nicht mit Geschichten über Lagerfeuer, Trinkspiele u.ä. langweilen. Stattdessen werde ich euch von einem Lichtlein berichten, das mir heute Morgen aufging. Besagtes Lichtlein erhellte mir den Zusammenhang zwischen Höflichkeit und Sprachkenntnis.

In unserer gemütlichen Jugendherberge werden wir von zwei herzensguten älteren Damen bekocht und bemuttert, die uns auch jeden Wunsch erfüllen, sofern wir ihn auf Ungarisch äußern können.
Einige von uns verspürten das Verlangen nach einer Kanne Tee und so ging ich mit der Teekanne und meinem dürftigem Ungarisch bewaffnet in die Küche und stammelte etwas, was sinngemäß wahrscheinlich so viel bedeutete wie „ Wir Tee wollen. Danke!“ (Mir war leider das richtige Wort für Bitte entfallen, da es im Ungarischen grob geschätzt 20 Wörter dafür gibt).
In diesem Moment habe ich mich doch etwas unwohl gefühlt, weil ich in Deutschland niemals auf die Idee käme, einer alten Frau eine Teekanne unter die Nase zu halten und Tee zu „wollen“. Ich würde mich demütigst danach erkundigen, ob sie die Liebenswürdigkeit besäße, mir eine Kanne Tee zuzubereiten und würde sie wissen lassen, dass ich ihr in diesem Falle zu großem Dank verpflichtet wäre.
Und als mir dieser Gedanke so im Kopf herumging, habe ich mich daran erinnert, dass ich in meinem Nebenjob als Schuhverkäuferin auch ab und an ausländische Kunden hatte, die zu mir sagten „Du Schuh holen“ oder „Schuhe nix gutt“. Ich glaube auch, dass ich mich manchmal über diese unhöfliche Anrede geärgert habe. Wahrscheinlich habe ich einfach noch nie aktiv darüber nachgedacht, dass es gar nicht so einfach ist, höflich zu sein, wenn man die Sprache nicht spricht und man deshalb automatisch anders wirkt, als man eigentlich möchte...
Ja, man merkt vielleicht, dass der ungarische Wein und die späte Stunde eine wahre Philosophin aus mir machen;)

Wo ich schon mal bei dem Wein bin, muss ich aber doch noch eine Sache erzählen:
Wir sind hier in einem Weingebiet, wo fast jeder kleine Bauer seine eigenen Reben hat, deshalb trifft man hier auch ab und an ein "borház" (Weinhaus. Wichtige Vokabel!) an. Meistens stehen dann in irgendeinem Schuppen oder Keller ein paar Fässer Wein und irgendwo ein Ständer mit gebrauchten aber gereinigten PET-Wasserflaschen. Nun darf man sich also eine solche 1,5 Liter Flasche nehmen, sie mit Wein füllen und bezahlen. Nicht nur, dass damit sehr umweltbewusst die Flaschen recycelt werden, nein, man hat außerdem keine nervigen Korken, keine schweren Glasflaschen und der Wein schmeckt trotzdem. Finde ich super !!! Und die Ungarn auch, die kommen nämlich sogar mit eigenen Kanistern in besagte Weinhäuser.

Zum Abschluss möchte ich mich außerdem auch mal lobend über die ungarische Küche äußern. Die letzten Tage wurden wir nämlich mit verschiedenen ungarischen Spezialitäten verwöhnt, die allesamt sehr lecker waren und teilweise auch ohne Mayonnaise auskamen. Es kursiert aber inzwischen ein kleiner Insiderwitz über die ungarische Affinität zu diesem Ei-Öl-Gemisch: Wie isst ein Ungar sein Müsli?
Mayonnaise mit Salami und Haferflocken.
Jammi!

Gute Nacht und ein liebes Drückerchen an alle, die sich angesprochen fühlen!

Sarah