Sziástok!
die Überschrift liest sich in etwa so: "en ziganj" und bedeutet "Ich bin Zigeuner". Gesagt hat das ein ca. 10jähriger Junge zu mir, nachdem ich ihn nach seinem Namen gefragt habe.
Das hat mir schon irgendwie zu denken gegeben, deshalb lasse ich das jetzt mal so im Raum stehen.
Was ist die letzten Tage passiert: Nicht viel Neues und trotzdem eine ganze Menge. Ich habe mich ein bisschen aus meinem Schneckenhaus heraus gewagt und herausgefunden wie ich mich in der Tánuda am besten nützlich machen kann, solange meine Kommunikationsfähigkeit noch ziemlich eingeschränkt ist. Dabei hat sich gezeigt, dass vor allem Englisch Nachhilfe sehr gefragt ist. Unterrichtsmaterialien dazu sind nur ziemlich spärlich vorhanden, weshalb ich meine Vormittage diese Woche damit zugebracht habe, Vokabel-Memory mit Bildchen zu basteln und Nursery-Rhymes für die Kleinen zu suchen und einzustudieren. Außerdem habe ich versucht, die Kids mal ein bisschen zum Sprechen zu animieren. Viele können den Satz: My name is... zwar richtig schreiben, aber er will ihnen einfach nicht über die Lippen kommen. Deshalb haben wir kleine Rollenspiele gemacht etc... Ohne dass ich es je im Sinn gehabt hätte, bin ich zu so einer Art Lehrerin mutiert und das erschreckende ist: es macht sogar Spaß. Zumindest solange die Kinder mitmachen. Aber wie überall gibt es auch ein paar Störenfriede, die nichts lustiger finden, als meine Aussprache nachzuäffen und der gleichen. Das ist wahrscheinlich Berufsrisiko bei dem Job und mit der Zeit wird das denen auch langweilig werden...hoffe ich. Wahrscheinlich gibt es kein Patentrezept, wie man mit Problem-Kindern umgeht, aber falls es in meiner zahlreichen Pädagogen-Verwandtschaft jemanden gibt, der dazu etwas beisteuern möchte: Ich bin ganz Ohr!
Insgesamt betrachtet waren die letzten Tage aber sehr schön. Zum einen habe ich gemerkt, dass ich mich so langsam in Magyarmecske wohlzufühlen beginne. Sogar in unserer Wohnung. Nicht dass wir inzwischen Möbel hätten, aber irgendwie gewöhnt man sich an das Nichts um einen herum und die schallende Akustik in den Räumen. Die Straße, die Gesichter, alles wird Tag für Tag ein bisschen vertrauter. Zum anderen weil mir die Arbeit in der Tánuda wirklich Spaß macht und ich schon kleine Erfolge vorweisen kann. Ich habe mit den Kleineren das Lied "My big, fat Pony" einstudiert, samt zugehörigem Tanz und inzwischen können sie es auch (Gestern hatte ich sogar einen leichten Muskelkater, weil ich es an dem Tag bestimmt 50 Mal getanzt habe).
Mit dem Ungarisch lernen klappt es auch ganz gut, so dass ich in den Tánuda ganz allmählich das Gefühl habe, dazuzugehören.
Der krönende Abschluss war allerdings das allwöchentliche Musikprogramm. Jeden Freitag kommt ein Musiklehrer in die Tánuda und singt mit den Kindern Lieder auf Beás (die Sprache der Cîgányi. Zigeuner zu sagen, ist in Deutschland ja tabu, aber hier haben die Menschen nicht so viele Probleme damit. Die Umschreibung "Sinti und Roma" trifft es nämlich nicht so ganz, wie ich diese Woche gelernt habe, aber das nur am Rande). Für viele Kinder ist das die Muttersprache, die sie auch überwiegend zuhause sprechen. Ungarisch lernen manche erst im Kindergarten. Um die kulturelle Identität der Kinder zu stärken und damit dieses uralte Liedgut nicht verloren geht, gibt es dieses Musikprogramm an der Tánuda. Es war letzte Woche schon faszinierend dabei zuzusehen, weil die Kinder wirklich aus vollem Hals mitsingen und tanzen und auch schon die ganz Kleinen ein verblüffend gutes Gefühl für den Rhythmus haben. Aber diese Woche konnte ich sogar mitsingen. Ich habe mit der Leiterin der Tánuda Edit ein Lied eingeübt, das ich wirklich sehr schön finde. Hört es euch mal an, es lohnt sich:
http://www.youtube.com/watch?v=TPgBfeTZSto
Jetzt freue ich mich vor allem auf das Wochenende. Für alle, die es nicht schon wissen. Meine Schwester ist heute nach 14 Stunden im Auto, zum Teil auf ungarischen Straßen (ein Hoch auf die Erfindung von Stoßdämpfern) hier angekommen . Vor uns liegt leider nur ein gemeinsamer Tag, weil sie Sonntag früh auch schon wieder zurück muss, aber wir werden einfach das Beste daraus machen.
Machts gut und bis die Tage
Sarah